Wer weiß, wohin? Ein Film von Nadine Labaki. Ab 22. März im Kino - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Kunst + Kultur



AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 19.03.2012


Wer weiß, wohin? Ein Film von Nadine Labaki. Ab 22. März im Kino
Annika Hüttmann

Vier Jahre nach "Caramel" zeigt die Regisseurin in ihrer neuen Tragikkomödie ein Dorf im Nahen Osten, das heimlich von Frauen und Müttern regiert wird, die versuchen, religiöse Konflikte hinter...




...sich zu lassen.

Nur eine marode Brücke verbindet ein kleines Dorf, in dem ChristInnen und MuslimInnen friedlich zusammen wohnen, mit der Außenwelt. Der Friedhof, auf dem hauptsächlich junge Männer beerdigt sind, erinnert noch an den letzten BürgerInnenkrieg, doch die EinwohnerInnen sind bemüht, sich aus jeglichen religiösen Auseinandersetzungen heraus zu halten. Nur der junge Nassim (Kevin Abboud) wagt sich mit seinem Mofa durch die Minenfelder, um Besorgungen für alle BewohnerInnen zu machen. Eines Tages bringt er auch einen Fernseher mit. Um diesen versammelt sich das gesamte Dorf, doch schon bald droht diese Verbindung nach Außen den Frieden in der Gemeinschaft zu zerstören, denn die Nachrichten berichten von Kämpfen und dem erneuten Aufflammen religiöser Konflikte in dem Land. Dieses wird im Film zwar nicht benannt, kann aber leicht als Libanon erkannt werden. Die Frauen des Dorfes beginnen blitzschnell damit, die Männer vom Fernseher abzulenken, um zu verhindern, dass auch diese wieder damit anfangen, sich aufgrund ihrer Religionen zu bekämpfen.

Doch der Frieden zwischen den christlichen und muslimischen Männern wackelt. Immer wieder kommt es zu Situationen, die kurz davor sind zu eskalieren. Den Frauen um die Cafébesitzerin Amale (Nadine Labaki) wird klar, dass sie nur mit viel Einfallsreichtum und kleinen Tricks verhindern können, dass ihre Männer sich gegenseitig umbringen. Dazu gehört unter anderem, Wunder vorzutäuschen, ukrainische Stripperinnen zu bestellen, Waffen zu vergraben und Gebäck aus Haschisch und Schlaftabletten herzustellen. Diese Maßnahmen erweisen sich als erfolgreich, doch als Nassim bei einem seiner Ausflüge erschossen wird, drohen die Konflikte im Dorf endgültig zu eskalieren und die Frauen müssen zu anderen Mitteln greifen.

In "Wer weiß, wohin?" widmet sich Regisseurin, Drehbuchautorin und Hauptdarstellerin Nadine Labaki ernsteren Themen, als in ihrem Debütfilm "Caramel", der in einem Beiruter Schönheitssalon spielte. Auch ihr zweiter Film ist voller Humor. Doch Labaki blendet in einigen Handlungssträngen nicht aus, dass Menschen sich aufgrund ihrer Religion hassen und töten. Ihr Film enthält auch bedrückende Szenen, die nichts mehr von der Leichtigkeit eines modernen Märchens enthalten. Die Szene, in der eine Mutter, die außer sich vor Trauer um ihren toten Sohn ist, verdeutlicht, wie viel Kraft es die Frauen kostet, nicht zu verzweifeln, sondern weiter für den Frieden zu kämpfen.

In erster Linie ist "Wer weiß, wohin?" jedoch eine wunderbare Komödie, durch Tanz- und Gesangsszenen fügt Labaki dem Film außerdem etwas Märchenhaftes hinzu. ChristInnen und MuslimInnen werden als Menschen, die sich kaum unterscheiden, gezeigt. Dadurch, dass die Frauen beider Religionen sich vereinen, erscheint es noch absurder, dass die Männer des Dorfes sich gegenseitig bekämpfen und töten wollen.
Die Regisseurin schafft kein Abbild der Realität, sondern entwirft eine Utopie, ein Plädoyer für ein friedliches Miteinander im Nahen Osten und dem Rest der Welt. Ein sehr sehenswerter, unterhaltsamer Film, dem es gelingt, positiv auf ein ernstes Thema zu blicken.

AVIVA-Tipp: Auf der einen Seite schnell, laut, optimistisch und witzig, auf der anderen bedrückend und ernst, ist "Wer weiß, wohin?" ein ganz besonderer Film, der religiösen Fanatismus und Gewalt ad absurdum führt.

Zur Regisseurin und Hauptdarstellerin: Nadine Labaki wurde 1974 im Libanon geboren und studierte Medienwissenschaften an der St. Joseph-Universität in Beirut. Sie drehte Kurz-, Werbefilme und Musikvideos und erhielt für ihre Arbeiten bereits mehrere Auszeichnungen. Ihr erster Langfilm "Caramel" war ein großer Erfolg. Nachdem er in ihrer Heimat sehr erfolgreich in den Kinos gezeigt wurde, hat er bei den Filmfestspielen in Cannes 2007 den Publikumspreis gewonnen und bekam eine Oscar-Nominierung in der Kategorie "bester nicht englischsprachiger Film". Ihr zweiter Film "Wer weiß, wohin?" gewann den Publikumspreis beim Toronto International Film Festival.

Weitere Infos unter: www.nadinelabaki.com

Wer weiß, wohin?
FR/LB 2011
Originaltitel: Et maintenant on va où?
Regie: Nadine Labaki
Drehbuch: Nadine Labaki, Jihad Hojeily, Rodney Al Haddad
Produktion: Anne-Dominique Toussaint
Musik: Khaled Mouzanar
Kamera: Christophe Offenstein
DarstellerInnen: Claude Baz Moussawbaa, Layla Hakim, Nadine Labaki, Yvonne Maalouf, Antoinette Noufaily, Julien Farhat u.v.a.
Länge: 100 Minuten
Kinostart: 22. März 2012

www.werweisswohin-derfilm.de


Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

Nadine Labaki - Caramel




Kunst + Kultur

Beitrag vom 19.03.2012

Annika Hüttmann